Montag, 8. September 2008

Ich kaufe ein "A" und möchte lösen: "Dabei sein ist alles"

Wir verschieben den großen und lauten Tusch.
Wir verschieben den geplanten Rückblick auf die Sommerpause, der sich vom TV-Pendant "Atzes Sommer" mehr als distanziert.
Wir verschieben nicht aus aktuellem Anlass gleich das Eingemachte.

Trotz allem. Für ein kurzes "Hallo", "Herzlich willkommen zurück in der guten alten Stube" und "Na, schöne Ferien gehabt?" muss immer noch Zeit sein.


Gestern hat die SPD mal wieder am großen Glücksrad der Parteivorsitzenden gedreht. Leider hat es bis jetzt - und wird es auch diesmal nicht - dazu gereicht ein Vokal zu kaufen.
Vor einer Woche keimten die Roten noch sämtliche Gerüche die aus der Gerüchteküche herausdampften ab. Um Tage später natürlich dann doch einen Kanzlerkandidaten zu präsentieren. Sein Name ist Frank-Walter Scheresteinpapiermeier (nach diesem Prinzip werden auch die Parteivorsitzenden gewählt). Er ist der jetzige Leiter des Außenministeriums. Sein Ziehvater dürfte vielen noch unter dem Namen Gerhard Schröder bekannt sein. Der Mann mit den weißen Haaren war schon in Niedersachsen an der Seite Schröders, Kanzleramtschef und verantwortete die umstrittene Agenda 2010 intern federführend mit.

Im Gegenzug trat Kurt Beck zurück. Er ließ offiziell "persönliche Gründe" dafür lauten. Ob er dabei geknebelt und gefesselt wurde ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar.
Sein Nachfolger ist der Vorvorgänger Becks: Franz Müntefehring. In den Medien unverständlicherweise auch als der Heilsbringer bekannt. Dabei wurde wohl vergessen wer beim ersten Piep zurücktrat und um welche Partei es unter ihm im Jahr 2006 noch drei Prozentpunkte schlechter stand als momentan.

Die SPD auf einem erneuten Selbstversuch. Mitten in der Identitätssuche. Mal wieder. Oskar Lafontaine stürzte Rudolf Scharping. Selbiges hat man mit Willy Brandt gemacht. Ähnliches mit Kurt Beck.
Nach dem überraschenden Rücktritt von Matthias Platzeck, der nur ein halbes jahr durchhielt, brauchte die SPD schnell einen Neuen, einen Erfolgreichen. Da kam Kurt Beck mit seinem glänzenden Wahlergebnis in Rheinland-Pfalz und der dazugehörigen absoluten Mehrheit gerade recht. Dass die Pfalz nicht das Gleiche wie Berlin ist, das merkten die Medien und Parteiangehörige im Wechsel an. Von einem Geografielehrer gab es dafür einen Extrapunkt.

Kurt Beck war für die SPD von Anfang an eher eine Notlösung. Der Mann ohne Abitur sollte es in Berlin richten? Auf Dauer? Dauerhaft? Ständig und permanent? Bis zur Bundestagswahl 2009? Die Sozialdemokraten vermieden es nicht sonderlich ihm Steine in den Weg zu legen. Verschiedene PolitikerInnen brachten sich selbst ins Gespräch. Dass der Mann ohne Fachhochschulreife mal Bundeskanzler wird. Das schlossen sowieso alle aus. Natürlich war der Umgangs Beck mit den Medien nicht routiniert. Der Umgang der Medien mit Beck war es dafür um so mehr. Man konnte ihn schön in eine Ecke drängen. Der Konkurrent Die Linke wurde zu Becks Achillesferse. Im Hickhack um Ypsilantis Hessen-Experiment zeichnete Beck keine klare Linie. In Folge verlor die Hamburger SPD um Michael Naumann weitere Wähler. Die Starre war perfekt. Dem neuen Exparteivorsitzenden wurde die Luft zu dünn. Er hatte sich diesen Fehler erlaubt, er konnte ihn nicht mehr korrigieren. Der RP-Ministerpräsident hätte vielleicht noch weiter gekämpft, nach vielen Diskussionen wurde er wohl zur Aufgabe gezwungen. Die Diskussionen waren auch besser so. In dieser Verfassung war und ist Beck nicht gesund für die Partei. Er schleppte für die Sozialdemokraten Irritationen mit. Dieser Ballast musste ab.

Jetzt soll es der Frank-Walter richten, zusammen mit dem Münte. Wobei die zwei einen ganz anderen Ballast mitbringen. Sie waren es schließlich, die die umstrittene Agenda 2010 eingeführt haben. Die gerade im sozialschwachen Bereich heftigst kritisiert wird. Der linke Parteiflügel, der die noch linkere Linkspartei angreifen möchte, ist somit mal wieder erstummt. Die Reformer haben wieder das Heft in der Hand und müssen sich neu profilieren. Ihr Vorteil: Sie werden nicht mit Die Linke in Verbindung gebracht. Durch Steinmeier stehen der Partei neue Türen offen. Mit Rot-Rot rechnet vorerst keiner. Der Kanzlerkandidat muss es gemeinsam mit dem erfahrenen Wahlkämpfer Müntefering schaffen, die CDU herauszufordern. Eine solche Demütigung wie Sonntagabend bei Anne Will, als Ronald Pofalla bei Anne Will "hofft", dass die SPD wieder aufstehen wird, darf nicht vorkommen. Mit Steinmeier kann die SPD sich an eine Ampelkoalition herantasten, die Große Koalition in Kauf nehmen oder sogar überraschend das Ruder in Richtung Rot-Rot reißen. Doch mittelfristig muss die Partei ihre Wähler mit Bildung, vor allem mit chancengleicher Bildung, sozialer Gerechtigkeit und glaubwürdig-guten Aussichten überzeugen. Sollte das gelingen und die Wähler zurückkommen, können die Reformer nicht nur das Heft, sondern auch noch das Kanzleramt wieder in die Hand nehmen. Aber erst im Herbst 2009 wird zur Abgabe der Hefte zur Kontrolle der Heftführung gebeten. Bis dahin ist es für die SPD noch ein steiniger Weg.

Wahrscheinlich suchen die Roten in der Zwischenzeit noch das ein oder andere mal mehr nach ihrem Stil. Diese Suche wurde bei der SPD nach Jahrzehnten zu einer Art politischen Menstruation. Sie kommt immer wieder, sie geht aber auch immer wieder. Man kann nur hoffen, dass sie nicht in die Wechseljahre kommt.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Gerade in Sachen Bildung könnten sie viel reißen, habe heute wieder einen Bericht darüber gesehen, dass wir kritisiert werden zu wenig Geld in Selbige zu stecken, also die Regeirung, wir persönlich stecken ja wirklich schon genug Geld in unsere Bildung ;)