Montag, 10. November 2008

Gleise und Weichen für die Zukunft stellen

So viele waren seit dem Höhepunkt der Verhandlungen um den Atomausstieg 2001 nicht mehr bei einer Demonstration gewesen. Gorleben ist in diesen Tagen wohl das bekannteste Dorf Deutschlands. In dem 600-Seelendorf sind seit Samstag Atomkraftgegner. Auf dem Weg dorthin setzten sich Demonstranten auf Gleise, ketteten sich dort an oder ließen sich von Brücken hängen. Das sind Aktionen, die sich im Rahmen halten und deutliche Zeichen setzen. Angriffe mit Feuerwerkskörpern auf Polizisten schießen jedoch über das Ziel hinaus, respektive haben sie nichts mehr mit dem Ziel zu tun.
Drei junge Studentinnen betonierten sich teilweise mit Ketten an die Gleise, danach wurden sie befreit, die Befreiung dauerte einen halben Tag. Andere, die sich "nur" auf die Gleise saßen, ließen sich einfacher von Polizisten entfernen. 16 000 Polizisten aus ganz Deutschland sind vor Ort, ebenso viele Demonstranten. Doch wer sind die Aktivisten der neuen Anti-Atom-Bewegung? Woher kommen sie?
Vieles ist wie in den 1980er Jahren. Die Strickpullis werden immer noch getragen, bunte Kleider sind auch nach wie vor zu sehen. Viele der Teilnehmer waren schon vor 20 bis 30 Jahren tätig. Sie sind die Erfahrenen und organisieren sich heute in eigenen Organisationen wie die "Initiative 60". Die jüngsten davon sind noch keine 60, die ältesten über 70 Jahre alt. Sie sind wieder dabei und sie wollen auch beim nächsten Mal wieder dabei sein.
Auf der anderen Seite gibt es die junge Generation der Atomkraftgegner. Sie sind mittlerweile die Mehrheit. Für viele der 15 bis 30-Jährigen ist es ihre erste Teilnahme an einer Anti-Atom-Demo überhaupt. Sie sind (Neu-)Mitglieder der Grünen Jugend, im BUND, bei Robin Wood oder Greenpeace. Ihr Ziel ist klar: kein Ausstieg aus dem Ausstieg. Es ist wichtig nachdem Parteien wie CDU und FDP eben diesen fordern. Doch die zwei Lobbyführer werden Probleme mit ihrem Vorhaben bekommen. Die neuen Demonstranten werden radikaler sein. Ein paar Feuerwerkskörper oder einbetonierte Aktivisten sind nur ein Vorgeschmack auf das was noch kommen wird. Die Atomgegner werden aggressiver und kriminell. Die Parteien haben jetzt die Möglichkeit dies durch eine Unterstützung des Ausstiegs zu verhindern. Es ist nicht ihre Aufgabe die Atomlobby zu fördern und diese in ihrem Vorhaben, die AKWs zu drosseln, um über den Bundestagswahlkampf hinaus die Kraftwerke eigeschaltet zu lassen, zu unterstützen. Dagegen wird der Anti-Atom-Nachwuchs ankämpfen. Die Auswirkungen durch den Castor-Transport waren der Anfang, flächendeckende Demos werden folgen. Dabei wird es mehr Teilnehmer geben, schließlich sind zu den alten Gegnern noch die neuen hinzugekommen. Und diese werden anders agieren. Durch die Möglichkeiten des Internets bekommen sie bessere Möglichkeiten für die Öffentlichkeitsarbeit: Blogs, Twitter, Foren und Communitys werden jetzt schon nicht nur von Greenpeace und den Grünen genutzt. Organisationen mobilisieren sich auf diese Art und Weise neu und besser. Die Jungen werden für mehr Furore sorgen und mit kreativen Aktionen Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In Zukunft wird der linkspolitische Nachwuchs die wichtigen politischen Themen offensiver angehen. Davon bin ich überzeugt.

[Der Autor selbst ist auch Teil dieses Nachwuchses.]

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