Donnerstag, 26. Februar 2009

Ich krieg die Krise

So langsam fängt sie an mich zu nerven. Ja, sie ist wie ein unsympathischer Nachbar, man sieht sich fast täglich, möchte eigentlich nichts über den anderen wissen und doch weiß man eigentlich alles. Natürlich behält der Nachbar hier und da etwas für sich, aber man will ja auch nicht alles wissen. Der Nachbar veranstaltet mal eine zu laute Grillparty, mal wirkt er wie ein Spießer mit seinem dicken Porsche. So richtig aus dem Weg kann man ihm nicht gehen, außerdem gibt es im Prinzip ja überall Nachbarn. Doch doch, die Finanz-/Banken-/Wirtschaftskrise nervt.

Bald existiert sie schon seit einem Jahr. Täglich hört und liest man von neuen Konzernen oder ganzen Branchen, die jetzt auch im Strudel der Krise sind. Kurzarbeit und Abwrackprämie haben das Zeug zum Wort des Jahres und staatliche Unterstützung kann weitaus teurer werden als der mickrige Hartz-IV-Betrag. Genau darüber mache ich mir schon seit einem halben Jahr meine Gedanken: Soll der Staat Geld geben? Wenn ja, wie viel und wem? Und überhaupt: Wieso, weshalb, warum? (Wer nicht fragt, ...)
Ich muss zugeben, dass Wirtschaft, respektive Wirtschaftspolitik, nicht mein Kernthema ist, aber Bundeswirtschaftsminister könnte ich offensichtlich trotzdem werden. Generell bin ich schon der Meinung, dass jeder mit seinem Geld machen darf, was er will. Das gilt für mich für jeden Einzelnen als auch für jede Bank. Ich bin mir sicher, dass nicht jede Bank Bullshit mit ihrem Geld treibt, deswegen habe ich diese liberale Grundeinstellung. Auch wenn eine Privatperson nicht mit seinem Geld umgehen kann und persönlichen Schaden anrichtet, ist das in Ordnung. Verkalkuliert sich aber eine Bank und zieht damit unschuldige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit nach unten, muss der Staat eingreifen. Natürlich kann der Staat nicht bei jeder Kleinigkeit sofort aktiv werden, das sollte er auch gar nicht, denn dadurch würde im Endeffekt auch nur die Risikobereitschaft aussterben, welche für eine Volkswirtschaft, wie Deutschland eine ist, wiederum auch eine enorme Wichtigkeit hat. Doch wie soll der Staat bei Managementfehlern eingreifen? Und wo fängt ein Managementfehler an? Und vor allem: Soll das mit jeder kleinen Bank gemacht werden? Nur die Großen? Ist das gerecht? Es ist also sehr kompliziert, den Staat ins das Tagesgeschäft eingreifen zu lassen. Außerdem sieht man gerade an den Landesbanken, dass Vater Staat auch eher wie ein ungeliebter Stiefvater agieren kann; und nicht jeder mag auf den Stiefvater hören. Wie soll der Staat den Markt regulieren? Rating-Agenturen müssen reorganisiert werden, Hedgefonds verboten und Zertifikate umgestaltet werden. Das sind nur drei Punkte die mir im Kopf schweben.
Aber was macht man mit den Unternehmen, die jetzt wegen fehlender Kredite und ohne Schuld in die Pleite schlittern? Die derzeit zwei berühmtesten Fälle heißen Opel und Schaeffler. Bei dem traditionsreichen Automobilkonzern nennt sich das Problem General Motors und sitzt in Detroit, bei der Schaeffler Gruppe nennt sich das Problem Continental und sitzt in Hannover.
Opel brauch nach neuester Informationen ca. 5 bis 9 Milliarden Euro Staatshilfe. Direkt und offiziell um das Geld gebettelt wurde noch nicht, aber Roland Koch, Jürgen Rüttgers und Konsorten haben es vorsichtshalber schonmal angeboten. Da stand auf unseren Kalendern noch 2008. Ein Sanierungskonzept wird erst noch erarbeitet. Der Wegfall von Opel würde logischerweise mehrere Zehntausende treffen. Der Verlust von Arbeitsplätzen zwingt die Politik natürlich immer zu reagieren. Allerdings muss man die andere Seite betrachten: Die anderen Automobilhersteller wie BMW oder Daimler haben solche Probleme nicht. Sie werden durch staatliche Hilfe für Opel benachteiligt.
Was für mich vollkommen klar ist, dass wer Geld vom Staat will, den auch mitbestimmen lassen muss. Das bedeutet für mich einen zeitlichen Rahmen in dem der Staat ein Vetorecht für Entscheidungen hat, ansonsten gäbe es kein Geld. Und wenn General Motors da nicht mitspielt, weil die Vorgaben von deutscher Seite kommen, muss man nach einem Abnehmer für Opel suchen. Hier würde ich sogar einer finanziellen Unterstützung für den Abnehmer zustimmen, allerdings muss auch dieser nach den Spielregeln spielen. So verlange ich zum Beispiel aussschließlich energieeffizente Autos mit geringem Resourcenbedarf. Natürlich muss man in hohen Forderungen in solch eine Verhandlung gehen. Wenn das Geld bei Opel angekommen ist und der Konzern Jahre später Rekordgewinne einfährt, halte ich es für legitim wenigstens Teile der Unterstützung zurück zu verlangen. Zwei Dinge stören mich noch. Wenn man mal die ersten Milliarden ausgegeben hat, kann es gut passieren, dass weitere folgen. Das beste Beispiel ist hierbei wohl die Hypo Real Estate, die mit einer früherer Verstaatlichung sicherlich kontrollierter hätte unterstützt werden können. Die andere Sache ist die, dass ich dem Staat nicht vertraue. Wer soll Entscheidungen für ein Unternehmen treffen? Die Kanzlerin? Die Regierung? Der Bundesrat? Der Wirtschafts- oder Finanzminister? Der Bundestag? Ein bestimmter Vorstand? Die Deutsche Bahn mit Mehdorn demonstriert eindrucksvoll wie das nicht funktioniert, daher würde ich eine Geschäftsführung/Vorstand einsetzen, der von einem Aufsichtsrat und einem Bundestagsausschuss kontrolliert wird.
Dann gibt es da ja noch die Schaeffler Gruppe (im Original ohne ä). Da verhält sich die Sache meiner Meinung völlig anders. Wer inmitten einer Krise - und ja, die war zu diesem Zeitpunkt schon absehbar - ein Unternehmen kauft das mit 24 Milliarden € einen mehr als 2,5-fachen höheren Umsatz vorweisen kann und mit 145.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen doppelt soviele Menschen anstellt, der hat 6 Milliarden Euro nicht verdient. Auch hier würde ich das Geld nur freigeben gegen Auflagen, und zwar solche, die strenger sind als bei Opel. Eine Geschäftsführerin, die selber ein horendes Privatvermögen auf ihrem Konto hat, vor wenigen Wochen mit Pelzmantel auftrat und auch heute noch immer mit Designerschmuck vor die Öffentlichkeit tritt, hat keine Gnade verdient. Hier gilt für mich ganz klar nur dann eine staatliche Unterstützung, wenn diese bei geringem Gewinn mit Zinsen an den Staat zurück geführt wird und die Auflagen erfüllt werden. Das Verhalten der Geschäftsführerin halte ich für unverantwortlich und es macht mich stinkwütend.

Was am Rande noch gesagt werden muss: Wäre dieses Jahr kein Superwahljahr, wäre das Interesse an staatlicher Hilfe nicht so groß. Ziehen wir hier schnell das Beispiel Roland Koch heran. Der vor der Hessenwahl noch laut über Opel sprach. Jetzt spricht Rüttgers, aber ok, in NRW wird 2010 auch gewählt.

Keine Kommentare: